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Die Künstlerin und Stadtplanerin Marjetica Potrč lebt und arbeitet in Ljubljana. Sie war in den letzten Jahren an zahlreichen Ausstellungen beteiligt, u.a. an der Biennale von Sao Paulo (1996); an Skulptur Projekte in Münster (1997), an Manifesta 3, Ljubljana (2001), im Westfälischen Kunstverein Münster und in der Generali Foundation Wien (2002). Sie gewann im Jahr 2000 den Hugo Boss Preis (Guggenheim Museum). Der in New York ansässige Brian Tolle hat 1998 an der Ausstellung Genius loci in der Kunsthalle Bern teilgenommen, war 2001 an der Freilichtausstellung Sonsbeek 9 und 2002 an der Whitney Biennale vertreten und ist der Schöpfer eines 2002 eingeweihten, viel beachteten Denkmals im New Yorker Battery Park, des Irish Hunger Memorials.

Was verbindet Marjetica Potrč und Brian Tolle? Auf den ersten Blick, d.h. auf der formal-ästhetischen Ebene, überhaupt nichts. Beide beschäftigen sich aber mit Fragen des Ortes, analysieren verschiedene urbane Formen und interpretieren diese modellhaft. Tolle lässt architektonische Elemente der sozialistisch-utopischen Stadtgründung Llano del Rio in der kalifornischen Wüste in den Jahren 1914-17 wiederaufleben, indem er die beiden riesigen Steinkamine des Gemeinschaftsraums nachbildet, ihnen die Vornamen des Chefideologen von Llano del Rio Job Harriman und der Architektin Alice Austin verleiht und sie im Hauptsaal der Kunsthalle herumwandern lässt. Oder er interpretiert auf dem Computer ideale Ausblicke aus Häusern des kalifornischen Architekten Gregory Ain aus den 30er Jahren – Ain spezialisierte sich auf low-cost-Wohnsiedlungen – und präsentiert sie als Fenster in grossen Leuchtkästen. Brian Tolles handwerklich perfekt ausgeführte Objekte aktualisieren vergangene Träume und weisen dadurch auf die Diskrepanzen zwischen Ideal und Wirklichkeit, Zivilisation und Natur, Heimat und Ortlosigkeit hin. Marjetica Potrč interessiert sich für urbane Strukturen wie Townships, Favelas und Zaunstädte („gated communities“) und die positiven Konsequenzen von Nomadismus, Improvisation und Deregulierung. Sie baut die temporär in der Wüste von Nevada errichteten Pavillons der Burning Man-Gemeinschaft nach oder entwirft ihre eigene Version eines Leidsche Rijn-Hauses: Das holländische Projekt sieht u.a. vor, dass jedes Haus individuell gestaltet werden kann und ökologisch sinnvoll (z. B. Regenwasser-Recycling) funktioniert. Potrčs Bauten werden von Inkjet-Drucken begleitet: Bilder und Texte machen auf die „wilden“ Zonen in unseren Städten aufmerksam und führen Beispiele innovativen Umgangs mit diesen Unorten vor.

Die Doppelausstellung in der Kunsthalle Bern liefert Denkanstösse zu den Konsequenzen eines sich abzeichnenden gesellschaftlichen Wandels, dessen offensichtlichste Symptome lauten: Vernetzung statt lokale Identität, bewegliche Kreativität statt Pflege traditioneller Werte wie langfristiges Eigentum, individuelles An-die-Grenzen-Gehen statt kollektive Utopien.