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Sechs Fragen an Tom Holmes anlässlich seiner Ausstellung Temporary Monument

Fabrice Stroun: Deine Arbeiten gehören in die Kategorie der Grabeskunst: Leichentücher, Grabsteine, Reliquien, Totenmasken etc. Trotzdem scheinen deine Werke nicht gedenkend, ebenso wenig scheinen sie auf irgendeine Ewigkeit oder ein Jenseits zu verweisen.

Tom Holmes: Das Werk lädt – neben 101 anderen möglichen Erfahrungen – zu einer flüchtigen Reflektion des Unausweichlichen ein. Die Arbeiten sind dahingehend nicht gedenkend, als dass es niemanden oder nichts Bestimmtes gibt, dessen gedacht würde. Indes, ungeachtet meines Glaubenssystems, sind die Objekte einer spezifisch atheistischen Position gegenüber indifferent. Das Thema ist in gewisser Weise ein Deckmantel. Meine Arbeit fällt eindeutig in das Begräbnisgenre, doch die primäre Verbindung der Werke ist die Abstraktion.

FS: Deutest du an, dass die Werke allegorisch interpretiert werden sollten?

TH: Die Werke ermöglichen eine Loslösung von ihren kulturellen Verweisen. Wenn man etwa versucht, eine abstrakte Komposition zu bilden, indem man grün-gelb-rot verwendet, in genau dieser Anordnung. Was auch immer man tut, welche Entscheidungen auch getroffen werden, es wird kaum möglich sein, die Komposition nicht irgendwie als «Rasta» zu lesen. Auch wenn ich wenig Widerstand für solche kulturellen Assoziationen aufbiete, setze ich mich doch vordringlich mit den Problemen der Abstraktion auseinander – materiell und kompositionell. Dieses Standhalten ist, in sich selbst, eine Interpretationseinladung.

FS: Tatsächlich ist es schwierig, in deiner Arbeit keine soziokulturelle Narration zu lesen.

TH: Beinahe alles ist zu einem bestimmen Grad durch ein Klassebewusstsein aufgeladen, weil ich alltägliche Objekte verwende, direkt von einem WalMart-Regal – dem gilt jedoch nicht mein Hauptinteresse. Einige Objekte nehmen den Bereich von Architektur ein, etwa eine Box. Und andere werden zu Surrogaten des Körpers, wie eine Tasche. Das sind grobe Formen um zu beschreiben, dass ein Körper eine einfache Tasche ist und Architektur reichlich viel Gerede um eine Box. Die direkt-vom-Regal-Qualität der Objekte erzeugt eine Art Schneeblindheit von Logos und Markenbildung, ohne die Patina des Erlesenen.

FS: Du hast davon geredet, dass diese Objekte auf eine gewisse Weise mit der Angst vor dem Tod assoziiert seien.

TH: Ich will nicht, dass das Werk auf die Ideen reduziert wird, die es initiiert haben. Für mich beginnt die Arbeit meistens mit einem Bearbeiten von spezifischen kulturellen Objekten, die ich auf irgendeine Weise mit dem Tod assoziiere – diese eine Tüte Kartoffelchips im Gegensatz zu jener Kartoffelchipmarke, diese bestimmten Frühstücksflocken im Gegensatz zu jener Schachtel Cerealien. Und manche Gags bestehen bereits auf eine überdeterminierte Art, wie BooBerry, eine Frühstücksflocken-Figur für Kinder, die ein Gespenst ist. Somit wird das Gespenst zum Gespenst. Gewisse kulturelle Informationen, die meines Erachtens unwichtig sind, verhindern Interpretationen sogar nahezu. Wie etwa der Reim des Trix-Kindermüsli Werbesongs, «Silly rabbit tricks are for kids (Alberne Hasentricks sind für Kids)», der in meiner Kindheit unmittelbar verwandelt wurde zu «Silly Faggot, dicks are for chicks (Alberne Schwuchtel, Schwänze sind für Tussis)». Solche Witze werden von den meisten Amerikanern meiner Generation verstanden. Aber trotzdem, es ist eine Art Deckmantel. Meine primäre Aktivität ist das abstrahieren von Information, die sich der Abstraktion verwehrt – versuch mal einen verdammten Regenbogen zu abstrahieren. Das ist ziemlich schwierig.

FS: Unlängst hast du angefangen, Malereien von Blumengestecken zu machen, die auf eine gewisse expressionistische «Sensibilität» zu verweisen scheinen.

TH: Ich mag das alte Sprichwort, das sagt, es ist in Ordnung, wenn Leute die Sensitivität wahrnehmen, aber sie müssen nicht zwingend die Sensibilität annehmen.

FS: Die Installation deiner Arbeiten in der Kunsthalle Bern erzeugt eine wahrhaft filmische Atmosphäre; mit einem für die Rennstrecke getunten Chevy El Camino gleich beim Eingang, der einen Friedhof im Hauptsaal flankiert…

TH: Kino bildet eine dieser Kräfte, die schlicht unumgänglich sind und beinahe alles umklammern, jedes Motiv, die meiste kulturelle Information. Die besten Künstler meiner Generation nehmen sich der Frage der Abstraktion an. Innerhalb dieser Problematik ist die Metapher schwierig zu verkaufen. Es braucht Mut, um zurück auf die Kultur zu zeigen und zu behaupten, «Ein El Camino stellt Unendlichkeit dar» oder «Eine Messung von Raum, von hier nach da, gemessen in Inches, bedeutet Kolonialismus» oder «Dieses Cartoongespenst ist ein Gespenst, neben 101 anderen Dingen, einschliesslich Nichts».

Tom Holmes wurde 1975 in Ozona, Texas, geboren und lebt und arbeitet in Liberty, Tennessee. Er hat in Gruppenausstellungen teilgenommen, unter anderem in der Feldman Gallery of the Pacific Northwest College of Art in Portland Oregon, dem Malmö Konstmuseum in Schweden, dem Whitney Museum at Altria in New York, und dem Museum of Contemporary Art in Tucson, Arizona. Temporary Monument in der Kunsthalle Bern ist die erste institutionelle monografische Ausstellung von Tom Holmes.