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Gerade in Südafrika, ein wie so viele andere Staaten des Kontinents am Reißbrett mehr oder weniger willkürlich entstandenes Gebilde, haben Geographie und geopolitische Leitlinien schon immer eine besondere Rolle gespielt. Kolonialismus und Usurpation, die Grenzziehung und Ausgrenzung der Apartheid, Städte mit einem „weißen“ Zentrum und den „schwarzen“ Townships – am Kap der guten Hoffnung herrschte jahrzehntelang ein gesellschaftliches System, welches die Brüche innerhalb dieser Gesellschaft so deutlich werden ließ wie sonst in kaum einem anderen afrikanischen Land.
Dass dies Fragen aufwarf, die generell in der internationalen Kunst der neunziger Jahre dominierten, dies allerdings in potenzierter Form, liegt auf der Hand. Und so schwingen auch in Langas Arbeiten Themen wie nationale Zugehörigkeit, Identität und die Konstruktion von Identität, wie territoriale Aneignung, Kämpfe ums Revier und subtilere Arten der Gewalt stets in hervorgehobener Weise mit. Zwar wird dies nicht die erste Schweizer Einzelausstellung des Künstlers sein (Langa realisierte 2000 eine Schau am Genfer Centre d’Art Contemporain im Alter von nur 25 Jahren). Dennoch markiert die Ausstellung in der Kunsthalle Bern, in Zusammenarbeit mit De Appel in Amsterdam (wo die Ausstellung Ende 2011 zu sehen sein wird) einen wichtigen Moment in Moshekwa Langas Karriere, in welcher bislang erst wenige institutionelle Einzelausstellungen figurieren.

Bekannt wurde Langa zunächst mit Zeichnungen und Collagen, die übermalte Landkarten zeigen, denen er den Serientitel „New Visual Atlas“ gab. Über diesen „New Visual Atlas“, in dem sich auch andere alltägliche Fundstücke wie Fotografien, Geschäftsbilanzen und Abrechnungen finden, schrieb einmal ein Kritiker, Langa definiere damit „den Kontinentaldrift neu“. Das darf man ruhig auch in einem übertragenen Sinn verstehen. Das gilt auch für die großen raumgreifenden Installationen des Künstlers: Auch dort werden an sich banale Gegenstände durch geringe Sinnverschiebungen symbolisch aufgeladen, etwa in dem Werk, das Langa 1997 auf der Johannesburg Biennale präsentierte. Die Installation hieß etwas umständlich, aber andererseits sehr sprechend „Temporal Distance (with a Criminal Intent). You will find us in the best places…“ – zu sehen waren unzählige Garnrollen, wie sie in industriellen Spinnereien verwendet werden, die Langa im ganzen Raum auf dem Boden verstreut hatte. Manche dieser Rollen waren noch unbenutzt, andere wiederum schon zum Teil aufgerollt, dazwischen standen Flaschen mit verschiedensten, meist alkoholischen Getränken. Das sieht auf den Fotos von der Biennale noch heute auf den ersten Blick heiter und verspielt aus, all die bunten Garne und Flaschen – und trotzdem kommt man nicht umhin, angesichts dieses Wirrwarrs über Themen wie Arbeit, Ausbeutung und Abhängigkeit nachzudenken.
Langa erweiterte seine Erforschung raumfüllender Installationen an der Art Basel Unlimited 2009 und im Rahmen einer Galerieausstellung in Berlin im Jahre 2010. In Basel zeigte er eine Installation, die aus einer Serie gefundener Objekte bestand, die er mit schwarzem Emaillelack bemalt hatte: Seltsame und scheinbar bezugslose Dinge wie eine Schubkarre, ein Stuhl, Billardbälle, etc. Die Arbeiten waren in ähnlicher Weise arrangiert wie Langas frühere ‚Karten’-Bilder und von einem grossen Metallrahmen umgeben. Dieser Rahmen war seinerseits auf der Innenseite mit abstrakten Karten und auf der Aussenseite mit Fotografien versehen, die Langa aufgenommen und in Grossdruck reproduziert hatte – so gross, dass sie abstrakt wirkten. Die Arbeit setzte sich primär mit einer metaphorischen – weil ‚kartographischen’ – Bestandesaufnahme der eigenen Identität auseinander.

In der Kunsthalle Bern wird Moshekwa Langa ein ganz neues Projekt realisieren. Da es sich noch in Arbeit befindet, können wir noch keine genauen Ankündigungen vornehmen. Das kuratorische Konzept basiert im Wesentlichen auf einer Art ‚Carte Blanche’, die Philippe Pirotte, Direktor der Kunsthalle Bern, dem Künstler gewährt. Die Werke werden sich voraussichtlich auf der Basis verschiedener Medien mit einer komplexen diasporischen Identität auseinandersetzen, stets in Konfrontation mit Kunst, Politik, und Popkultur. So wie Langa verschiedene Materialien schichtet und vereint, so konzentriert er auch Bedeutungen und Anspielungen, die trotz ihrer kryptischen Ambivalenz starke Reaktionen auslösen. Die Rezipienten müssen die Kunstwerke des Südafrikaners schon selber dekodieren – Werke, die anziehen und interessieren, sich aber jeglichen einfachen Interpretationen oder Klassifikationen verweigern.

Moshekwa Langas Ausstellung wird von einer Publikation begleitet, welche die Kunsthalle Bern in Zusammenarbeit mit De Appel in Amsterdam realisieren wird. Das Buch soll einen Überblick über das bisherige Schaffen des Künstlers bieten. Diverse hervorragende Autorinnen und Autoren wurden bereits kontaktiert und werden Aufsätze zum Buch beitragen. Es soll im Verlauf der Ausstellung veröffentlicht werden, sodass wir auch Fotografien der Installationen und Schriften über die Schau abdrucken können.