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Seit der Mitte der 90er Jahre beschäftigt sich der 1957 in Kanada geborene, aber seit längerer Zeit in London wohnhafte Mark Lewis ausschliesslich mit dem Medium Film. Die Herangehens-weise der Künstlers an den Film ist analytisch: Er nennt seine Methode cinema in parts. Lewis‘ Kenntnisse der Geschichte, der Semiotik und der Produktionsbedingungen des Films sowie seine theoretischen Auseinandersetzungen mit Soziologie, Feminismus, Psychoanalyse usw. erlauben es ihm, dieses Medium in seine Bestandteile zu zerlegen und der „unabhängigen“ Kunstproduktion einzuverleiben.

In Two Impossible Films (1995), die der Einstieg in das Projekt cinema in parts sind, setzte sich Lewis mit zwei Filmen auseinander, die nie realisiert werden konnten: Eisensteins Verfilmung von Marx’ Kapital, die von Stalin verboten wurde, sowie ein Projekt von Samuel Goldwin, der die Geschichte von Freuds Psychoanalyse verfilmen wollte; Freud selber lehnte das Projekt jedoch ab. In Fragmenten konstruiert und dekonstruiert Lewis – mittels Zitaten und sich gegen-seitig ergänzenden und widersprechenden Anspielungen auf Filmgenres und Klassiker – die vielfältigen Erfindungen des Kinos. Dabei werden diese verfremdet, neu arrangiert und teilweise umgekehrt. So etwa dreht Mark Lewis einen unglaublich aktionsarmen „Wildwestfilm“ (Wind Farm, 2001) oder einen wunderbar idyllischen „Pornosteifen“ (Jay’s Garden, 2001).

Diese Filme projiziert er als stille Videoschlaufen auf freistehende Wände. Die wie Fotografie wirkenden Filmsequenzen führen uns die Nähe der beiden Medien vor Augen: Zerlegt man einen Film in Fragmente, entsteht letztlich Fotografie. Die neusten Filme Lewis‘ nehmen die nordamerikanische Tradition der sublimen Landschaftsmalerei auf. Algonquin Park (2002) etwa besteht aus einem langsamen, schier endlosen Rückwärtszoom, der aus einer weissen mono-chromen Fläche sich entwickelnd, erst am Schluss den Ort, das Sujet und den Standpunkt des Betrachters freigibt. Tenement Yard und Centrale gehören zu einer Reihe von London-Stadt-Landschaften. In
Tenement Yard prallen soziale und ästhetische Aspekte aufein-ander: Während der Dauer einer Film-rolle (ca. 4 Minuten) verzaubert die sinkende Abendsonne den Park eines verwahrlosten Wohnquartiers. Centrale führt mit den Mitteln eines „natürlichen“ (Spiegelung!) Split-Screen-Verfahrens die Isoliertheit von Menschen in der Gross-stadt vor. Der Künstler benützt den reichen Fundus des Films in all seinen Arten und Abarten, vom Experimentalkino bis zu den kommerziellen Grossproduktio-nen, um unsere Erwartungen an das (be-wegte) Bild und damit auch unsere durch das Kino beeinflussten Vorstellungen von Welt in Frage zu stellen.