Logo

Klangliche Anordnung: die dritte Note

Das Hören einer Ausstellung, Hören im Vordergrund – Infrastruktur hören; die Kunsthalle Bern und ihre Wände, Böden, die Luft, die Decke, die Menschen, ihr Äusseres – sich selbst beim Hören hören, wie das Innere den Klang aufnimmt, die Reibung oder Harmonie, die entsteht, die Emotionen, die an die Oberfläche kommen, Hören auf die Schwingungen, auf den Nachhall. Klang verlangt nach einer Auseinandersetzung. Ausstellung als Live-Album. Die dritte Note als ‚Liner Notes‘. Woraus ergibt sich die Bedeutung, die du der Begegnung gibst?

Strophe 1 /

Ahhh ahh! (‘hhhh…’hhhh…’hhhh)
There’s something (thing…thing…thing)
Moving, and we’re not sure (‘sho…’sho…’sho)
Where it’s coming from (‘from…’from…’from) 1

Refrain /

Ein Echo ist ein wandernder Klang, der sich sammelt, verändert, wandelt, vergeht – eine räumliche und zeitliche Begegnung.2 Ein Echo wächst und verschwindet auch wieder. Ein Echo ist eine zeitbasierte Begegnung – das Echo kann als kritische Metapher für die zeitliche und räumliche Veränderung von Liedern, Geschichten, Gerüchten und anderen Dingen verwendet werden. Bleiben wir in diesem Fall beim Lied. Ich setze das Echo als Metapher für eine räumliche und zeitliche Veränderung ein. Denken wir an das Lied O Mary, Don’t You Weep, Don’t You Mourn und dessen Verbindung zum Erbe der Sklaverei in den Vereinigten Staaten. Denken wir an die zahlreichen Wiedergaben und Aufführungen davon im Laufe der Zeit durch Aretha Franklin, Nat King Cole, The Caravans und The Artist Formerly Known as Prince, um nur einige zu nennen. Die erste bekannte Aufnahme stammt aus dem Jahr 1915.3 Bis zu dieser Aufnahme der Fisk Jubilee Singers, blieb das Lied undokumentiert. Dann jedoch wurde es zu einem mündlichen Erbe der Sklaverei, zu einem Mittel der Verbalisierung, jedes Mal, wenn es erneut als Echo angespielt wird – diese Formulierung des Echos als Chor oder Idee des Liedes, das immer wieder durchklingt, ein Echo, das die Zeit anders nennt, dieses Ding bewegt sich weiter, trägt seine Kutsche, nimmt die Form von Kwaito, Nationalhymnen, Hymnen, Jazz an, wie ein aufsaugendes Echo.

Das Lied Umthandazo Wamangenge von The Brother Moves On wurde von dem Jazzmusiker Thandi Ntuli geschrieben. Dabei war er von Kwaito inspiriert, insbesondere von den Liedern von Tkzee. Diese enthielten oft die Worte nkosi sikelele, der Name der Nationalhymne Südafrikas, welche wiederum eine Adaption von Enoch Sontongas christlicher Hymne Nkosi Sikelel’ iAfrika aus dem Jahr 1897 ist.4

Adlib /

I say, the bridge is over, the bridge is over, biddy-bye-bye!
The bridge is over, the bridge is over, hey, hey!
The bridge is over, the bridge is over, biddy-bye-bye!
The bridge is over, the bridge is over 5

Das Gewicht eines Stammbaums, schwebend wie eine Pusteblume. Lieder, die in verschiedenen politischen und sozioökonomischen Zeiten widerhallen und deren Sog sich der jeweiligen Zeit anpasst. Stella Chiwases _Chachimurenga_-Echo verweist auf ihre Bedeutung und Relevanz im Laufe der Zeit, vom Befreiungskampf Simbabwes gegen den Kolonialismus über die südafrikanische Apartheid bis hin zu wiederholten Forderungen nach Befreiung in der Region. Für Simnikiwe Buhlungu diente das Album von Gerard Sekoto aus dem Jahr 1959 als Inspiration – sie hat diese Lieder Jahrzehnte nach diesem Album in einem Schulchor kennengelernt, ohne eine direkte Verbindung zu Sekoto zu haben. Hier wird es neu konfiguriert, sammelt sich und bewegt sich durch Sie und darüber hinaus.

Bridge /

Sich selbst beim Hören hören. Auf die Emotionen hören, auf die Reibungen der Emotionen. Und dann muss man entscheiden, was diese Reibungen der Gefühle sind. Was ist die Spannung, die sie erzeugen, die Scheuerstelle zwischen ihnen. Und dann muss man sie benennen – man muss die Parameter der Emotionen benennen, wenn man die Entwicklung der Emotionen verstehen will. Auf den Akt des eigenen Hörens achten, aber auch darauf, wie dieser vom anderen zurückfedert. Darum geht es meistens.6

Diese Formulierung von Kodwo Eshun kann als Leitfaden dienen, als Werkzeug, als Zitat, das immer wieder auftaucht, aber jedes Mal anders; als Bridge in einem Lied, als technisches Instrument, das uns hilft, über Jahre hinweg über verkörperte Praktiken nachzudenken. Sie ist in einem Text, zwei Vorträgen, einer Geschichte, einem klanglichen Essay und bisher drei Ausstellungen erschienen. Verkörperte Praktiken akzeptieren, dass der Ausübende nicht neutral ist, und daher tragen diese Arbeiten einen Abdruck ihres Entstehens in sich – ein soziales und kulturell eingebettetes Entstehen. Sie wirken somit als Bewegungen in der Welt. Zuhören ist eine Praxis der Selbstreflexion beim Lesen und Bewohnen der Welt.

Strophe 2 /

Basimana ba ramodumela
ba re ba mbhona
ba thlaba lekhwara
Khwara le tzheke,
Tzheke mphe metsi Ke nwe ka lefhiso,
Lefhiso la barwa,
Barwa baile fhe?
Ba ile o tzoma,
Khwarana yeela,
O lla e rene? E re ke nondhe, ke nondhe thloho,
Mala le mohodu, le zekhwedyekhwethe!
Zekhwedyekhwethe!7

__
1 Vers von Simnikiwe Buhlungu
2 LaBelle, B. 2010, Acoustic territories: Sound culture and everyday life, Bloomsbury Publishing USA.
3 Mehr Informationen gibt es hier und hier.
4 Sontonga komponierte die ersten beiden Strophen von Nkosi Sikelel’ iAfrika für seinen Schulchor im Jahr 1987. Das Lied wurde zum ersten Mal 1899 bei der Ordination von Reverend Mboweni gesungen, dem ersten methodistischen Tsonga-Priester, der je ordiniert wurde. Später fügte der bekannte IsiXhosa Nationaldichter Samuel Mqhayi weitere Strophen hinzu, und das Lied wurde am 16. Oktober 1923 in London erstmals aufgenommen. 1925 wurde Nkosi Sikelel’ iAfrika zum offiziellen Lied des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und 1994 zur Nationalhymne des Landes. Das Lied wurde 1960 als Nationalhymne Sambias anerkannt. In Tansania, damals noch Tanganjika, wurde das Lied ins Suaheli übersetzt, Mungu ibariki Afrika, und ebenfalls als Nationalhymne eingeführt. Auch in Simbabwe wurde es von der Unabhängigkeit 1980 bis 1994 als Ishe Komborera Afrika übernommen, und wurde weniger als einen Monat nach der Unabhängigkeit als Namibias Nationalhymne verwendet.
5 Songtext aus The Bridge Is Over vom Debütalbum Criminal Minded von Boogie Down Productions. Gerappt von KRS-One und produziert von DJ Scott LaRock und KRS-One.
6 Kodwo Eshun, Interview für Mediatec, [Online-Video], 1999, hier zu finden.
7 Südafrikanisches Volkslied

Mit grosszügiger Unterstützung von Kultur Stadt Bern und HKB Musik – Sound Arts: