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Kunsthalle Bar

Contractual Situations We Live By

Mit Beiträgen von Jaya Klara Brekke, Maria Eichhorn, Adam Linder, Cameron Rowland, Ramaya Tegegne

Organisiert von Eric Golo Stone (Autor, Künstler, Kurator, Los Angeles)
und Kunsthalle Bern

15. – 17. August 2018

Contractual Situations We Live By ist eine Veranstaltungsreihe, die der Frage nachgeht, wie Künstler*innen Verträge dazu nutzen, um in Transaktionsstrukturen, Eigentumsverhältnisse und Arbeitsbedingungen einzugreifen, innerhalb derer künstlerisches Schaffen stattfindet. Vertragsspezifische Handlungen, die auf das konfliktreiche Verhältnis zwischen künstlerischer Arbeit und Schaffung einer Existenzgrundlage im Kunstfeld reagieren, greifen heute zwangsläufig zu Kämpfen über rechtliches Eigentum und Vertragsarbeit in der politischen Gesamtwirtschaft. Durch den Eingriff in die tatsächlichen rechtlich-wirtschaftlichen Mechanismen, die unsere Begegnung mit Kunst bestimmen, machen Künstler*innen nicht nur ihre Rechte als künstlerische Interessen und praktische Bedürfnisse geltend, sondern sie widersetzen sich auch einer expansiven Rechtsordnung, die das kodifiziert, was eine dominante wirtschaftliche Instanz als Recht bezeichnet hat. Die Reihe in der Kunsthalle Bern thematisiert verschiedene langfristige Bemühungen von Künstler*innen, Vertragssituationen zu initiieren und rechtliche Vereinbarungen umzusetzen, die das Recht als einen neutralen Verhaltensrahmen infrage stellen, Arbeitsbedingungen neu definieren und sich vorherrschenden Eigentums-, Tausch- und Akkumulationsverhältnissen entgegenstellen.

Gesetze, die die Arbeit von Künstler*innen regeln, sind weiterhin in Erwartungen von Eigentumsspekulation und unbezahlter Arbeit verstrickt. Die daraus resultierende Anmaßung der Ausschließung und Ausbeutung, die tief in der Geschichte von Ethnien-, Geschlechter- und Klassenherrschaft verwurzelt ist, wird durch die übergroße Mehrheit der Einzelpersonen und Institutionen verinnerlicht, die heute Kunst in Auftrag geben, erwerben, ausstellen und verkaufen. Über die Kunst selbst als durchweg unter prekären Bedingungen geschaffenes rechtliches Eigentum hinaus, ist das erweiterte Feld der Kunst eine globale politische Ökonomie, die Eigentum und die damit verbundene Arbeit nutzt, einschränkt, veräußert und neu entwickelt. Diese gesetzlich ratifizierten Praktiken des finanziellen Zugewinns und Verlusts zeugen von einem Kunstfeld, das nicht nur mit der andauernden Geschichte unterjochender Wirtschaftssysteme koexistiert, sondern diese Systeme auch aktiv reproduziert. Tatsächlich ist es, entgegen hartnäckigen Behauptungen, wonach die Kunstwelt von der “realen Welt” abgekoppelt sei, allgemein bekannt, dass das Kunstfeld dadurch, dass es sich auf Eigentumsspekulation, unbezahlte Arbeit, Steuervermeidung, missbräuchliche Darlehen und unüberwindbare Schuldenlast stützt, lediglich ein weiterer Bereich im täglichen Leben, wo gesetzlich legitimierte und gesellschaftliche akzeptierte ökonomische Gewalt weit verbreitet ist.

Jaya Klara Brekke spricht über die politischen und ethischen Dimensionen von “Smart Contracts” oder “intelligenten Verträgen”, rechtlichen Vereinbarungen, die unmittelbar in Quellcode auf Netzwerk-Servern geschrieben und durch eine Distributed-Ledger-Plattform (d.h. Blockchain) implementiert werden. Brekke fragt, wie diese Technologie durch die Übertragung einer rechtlichen Vereinbarung in ein computergestütztes Transaktionsprotokoll Ansprüche begründen kann, wonach Eigenschaften wie Dezentralisierung, Neutralität und Unveränderbarkeit einzig durch das Protokoll gewährt werden.
Mittwoch, 15. August, 19.00-20.00 Uhr

Maria Eichhorn zeigt ein Informationsplakat und ihr Video Die Anteilscheine der Kunsthalle Bern (2005) in der neu eingerichteten Kunsthalle Bar, um ihre laufende Initiative, unbeschränkte Anteilscheine am Eigenkapital des Vereins der Kunsthalle Bern bereitzustellen, zu fördern. Eichhorns Neuausgabe von Vereinsanteilen, die als zentrale Komponente ihrer Ausstellung Das Geld der Kunsthalle Bern (2001) initiert wurde, wirft auch heute noch wichtige Fragen über die rechtlich-wirtschaftliche Struktur der Kunsthalle und ihrer konstituierenden Zussamenhänge auf.
Mittwoch, 15. August – Freitag, 17. August, Plakat und Ein-Kanal-Video Die Anteilscheine der Kunsthalle Bern/Shares in the Kunsthalle Bern (4:3, Farbe, Ton, 6 min., Schleife, 2005) dauerhaft ausgestellt

Adam Linder präsentiert Footnote Service: Some Trade, eine Performancearbeit, die von der Kunsthalle Bern gemietet wurde, und spricht über einen von ihm aufgesetzten Tauschhandel- oder Handelsaustauch-Vertrag, der die Bedingungen des unentgeltlichen Austauschs bei der Überlassung von Some Trade regelt. Linder stellt Überlegungen darüber an, wie speziell seine vertragliche Vereinbarung mit der Kunsthalle Bern eingefahrene Erwartungen im Hinblick auf Vertragsarbeit in einer dienstleistungsbasierten Wirtschaft verkompliziert.
Donnerstag, 16. August, 17.00-22.00 Uhr Performance mit Sam Gendel, Justin F Kennedy, Brooke Stamp, Stephen Thompson
Freitag, 17. August, 20.30-21.30 Uhr Diskussion mit dem Künstler

Cameron Rowland spricht über seine Verwendung eines Mietvertrags, der den zeitweiligen Besitz seiner Kunstwerke durch einen Privatsammler oder eine sammelnde Institution begründet. Rowlands kritisches Mietvertragsprojekt veranschaulicht, wie Kunst den Erwartungen von Eigentum entrissen werden kann, und zeugt zudem vom verschlüsselten und alltäglichen Ausschließungsrecht von Eigentum.
Freitag, 17. August, 19.00-20.30 Uhr

Ramaya Tegegne beruft eine Arbeitsgruppe ein, um die Richtlinien der Kunsthalle Bern in Bezug auf Honorarvereinbarungen mit KünstlerInnen sowie ethnien- und geschlechterspezifische Repräsentation innerhalb der Institution zu überprüfen und notwendige Änderungen vorzuschlagen. Tegegne arbeitet im Kollektiv, um die Divergenzen und Überschneidungen zwischen den Arbeitsbedingungen für Künstler*innen und übergreifenden, durch rechtlich-wirtschaftliche Ausgrenzung im Kontext der Schweiz hervorgerufenen sozialen Kämpfen zu überdenken.
Freitag, 17. August, 13.00-16.00 Uhr Offene Arbeitsgruppensitzung geleitet von der Künstlerin mit Noémi Michel (Dozentin für politische Theorie, Universität Genf) und Rohit Jain (Sozialanthropologin, Universität Zurich, Institute New Switzerland INES)

Contractual Situations We Live By wird organisiert von Eric Golo Stone mit Valérie Knoll / Kunsthalle Bern.

Jaya Klara Brekkes Vortrag wird in Kooperation mit der Sommerakademie Paul Klee präsentiert. Mit Dank an Tirdad Zolghadr (Direktor Sommerakademie Paul Klee) und die Stipendiaten der Sommerakademie Paul Klee von 2017-2019.

Maria Eichhorns Die Anteilscheine der Kunsthalle Bern (2005) mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Kunsthalle Bern und Kunstmuseum Bern.

Die Performancearbeit von Adam Linder mit Sam Gendel, Justin F Kennedy, Brooke Stamp und Stephen Thompson (Courtesy Hannah Hoffman Gallery, Los Angeles) wurde in Kooperation mit dem Kunstmuseum Bern und der Dampfzentrale Bern als Teil der République Géniale gemietet.

Text: Eric Golo Stone

Bild: Meme von der Local 2110’s #WeAreMoMA Kampagne, courtesy Local 2110