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Die Rache des bestimmten Artikels. Beobachtungen über Malerei Vortrag von Hans-Jürgen Hafner (Direktor Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf)

Freitag, 3. Juni 2016, 18–20 Uhr 

Wenn heute von Malerei die Rede ist – und es ist, gemessen an dem problematischen Stand, den sie noch bis ins erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends hinein hatte, wieder bemerkenswert oft von ihr die Rede –, geschieht es selten ohne den bestimmten Artikel. Aus „Malerei“, die man prosaisch auf das technische Arsenal des Malens und das fachspezifische Wissen um ihre bildmediale und konzeptuelle Verfassung herunterbrechen könnte, ist „die“ Malerei geworden. Sie begegnet uns mithin als regelrechte Substanz, die – weil ihr mittlerweile allerdings alle möglichen und längst nicht nur als Malerei auftretenden künstlerischen Arbeitsweisen zugeschlagen werden können – noch zur Malerei macht, was dies gar nicht unbedingt zu sein braucht. Damit kehrt eine Frage zurück, die seit Beginn der 1980er Jahre mit wechselnder Vehemenz und unterschiedlich gelagert – öfter contra als pro Malerei – gestellt wurde: Why painting now? Oder mit anderen Worten: Was bringt es, unter spezifisch historischen Bedingungen ausgerechnet mit Malerei zu arbeiten, wenn die blosse Tatsache allein schon Anerkennung, Applaus und Markterfolg bedeutet? Was heisst es, zu malen, wenn „Bild“, „Malerei“ und „Kunst“ in keinem zwingenden oder gar ursächlichen Zusammenhang mehr stehen? Was hat das für Auswirkungen auf die Praxis, auf den Diskurs der Malerei? Und wie wäre dem zugleich kritisch beizukommen, wenn es der Kunst zunehmend genügt, mit anderen visuellen Industrien nur mehr um die knappe Ressource Aufmerksamkeit zu konkurrieren?

Hans-Jürgen Hafner (geb. 1972) arbeitet als Kunstkritiker, Autor und Ausstellungsmacher und ist zurzeit Direktor des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf. Er hat zahlreiche monografische und thematische Ausstellungen realisiert, u. a. zum Verhältnis von Kunst und Markt, zum Einfluss der Digitalisierung auf die Kunst und zu alternativen kunsthistorisch/kuratorischen Erzählweisen. 2012 und 2013 hat er in einer ersten Retrospektive im Düsseldorfer Kunstverein und am ZKM Karlsruhe das künstlerische Werk des concept art_-Pioniers, Musikers und Philosophen Henry Flynt vorgestellt und damit einen zentralen Mosaikstein zur Neubewertung der als „konzeptuell“ kanonisierten künstlerischen Praktiken seit Anfang der 1960er Jahre geliefert. Zusammen mit Gunter Reski ist er Autor und Herausgeber der Text- und Bildanthologie _The Happy Fainting of Painting zur jüngeren Malereigeschichte. Gegenwärtig arbeitet Hafner an einer Publikation über Henry Flynt und die Rezeptionsgeschichte der concept art.
Hafner veröffentlicht regelmässig Beiträge und Kritiken in Camera Austria, Frieze (d/e), Spike Art Quarterly und Texte zur Kunst.

Bild: Henri Gervex, Une séance du jury de peinture (1885), Öl auf Leinwand, 300 × 419 cm