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Wir freuen uns die zweite Ausgabe der fortlaufenden Filmreihe When Rain Clouds Gather des Künstlers und Filmemachers Éric Baudelaire zu präsentieren.

Vom 15.-27. Oktober 2024 werden seine beiden Filme The Anabasis of May and Fusako Shigenobu, Masai Adachi, and 27 Years without Images (2011) und When There Is No More Music to Write, and Other Roman Stories (2022) während den regulären Öffnungszeiten der Kunsthalle Bern abwechselnd im Hauptsaal im Erdgeschoss gezeigt. Beide Filme von Éric Baudelaire erforschen die Schnittstelle von Kunst und Politik. Sie verbinden persönliche Geschichten von Kunstschaffenden mit grösseren historischen Ereignissen und hinterfragen dabei die Rolle von Identität, Erinnerung und Landschaft in der Gestaltung unserer Welt. Ein Künstlergespräch am 25. Oktober mit Éric Baudelaire und iLiana Fokianaki bietet Einblicke in den Entstehungsprozess der Filmografie Baudelaires und die Möglichkeit der Reflexion der beiden Filme.

The Anabasis of May and Fusako Shigenobu, Masai Adachi, and 27 Years without Images
1 h 06 min, 2011

Diese komplizierte, dunkle und immerzu spannende Geschichte hat Éric Baudelaire beschlossen im dokumentarischen Format hervorzubringen, um das Leben von Fusako und May Shigenobu, Mutter und Tochter, sowie Masao Adachi, einem Drehbuchautor und radikalen Aktivisten, nachzuzeichnen. Fusako war Anführerin einer extremistischen linken Fraktion, der japanischen Roten Armee, die in eine Reihe terroristischer Operationen verwickelt war. May, ihre Tochter, die im Libanon geboren wurde, entdeckte Japan erst mit 27 Jahren, nach der Verhaftung ihrer Mutter im Jahr 2000. Adachi war ebenfalls jahrzehntelang im Untergrund im Libanon, bevor er in sein Heimatland zurückgeschickt wurde. In seinen Jahren als Filmregisseur war er einer der Initiatoren einer “Landschaftstheorie” – fûkeiron: durch das Filmen von Landschaften suchte Adachi die Strukturen der Unterdrückung zu enthüllen, die das politische System untermauern und aufrechterhalten. Auf Super 8 mm gefilmt und in der Art von fûkeiron werden zeitgenössische Panoramen von Tokio und Beirut mit Archivaufnahmen, TV-Clips und Filmausschnitten als Hintergrund für Mays und Adachis Stimmen und Erinnerungen vermischt. Sie sprechen über das tägliche Leben, über Exil, Politik und Kino und deren faszinierende Überschneidungen.
Aus dem Text von Jean-Pierre Rehm, FIDMarseille-Katalog (Original Englisch, Deutsche Übersetzung Kunsthalle Bern)

When There Is No More Music to Write, and Other Roman Stories
59 min, 2022

Unter dem langatmigen Titel von Éric Baudelaires neuem Film verbergen sich drei Filme, getrennt durch drei Abspanne und drei Titel (Four Flat Tires, The Lost Score, und When There Is No More Music to Write). Sie rufen die Figur des Avantgarde-Komponisten Alvin Curran in seiner Beziehung zu Rom, wo er sich Mitte der 1960er Jahre niederliess, und die Musik, die er dort schuf, hauptsächlich innerhalb des berühmten Kollektivs Musica Elettronica Viva, hervor. Aber wie der Untertitel des letzten dieser Filme “über Alvin Curran” angibt, ist das Projekt ebenso ein Porträt wie eine Zusammenarbeit: Baudelaires Zusammenarbeit mit dem Komponisten, den er nie persönlich filmt, sondern dessen Gedanken und Klänge er sich leiht. Baudelaire spielt, im Einklang mit dem Werk, das er dokumentiert, die Figur des Autors und den Anspruch auf eine Kunst als Einheit herunter. Dreimal endet und beginnt der Film neu, mit der Gewissheit, dass durch das Wiederholen des Endes alles wieder von vorne beginnen kann.
Aus dem Text von Antoine Thirion, Cinéma du Réel-Katalog (Original Englisch, Deutsche Übersetzung Kunsthalle Bern)

Éric Baudelaire ist ein Künstler und Filmemacher aus Paris, Frankreich. Nach seiner Ausbildung zum Politikwissenschaftler etablierte sich Baudelaire als bildender Künstler mit einer forschungsbasierten Praxis in unterschiedlichen Medien, die von Fotografie und Bewegtbild bis hin zu Installation, Performance und dem Schreiben von Briefen reichen. Seine Arbeit untersucht eine Realität, die von den Repräsentationssystemen geprägt ist, die die zeitgenössischen Gesellschaften strukturieren: politische, juristische, wirtschaftliche und informationelle Konstrukte. Seine Spielfilme werden sowohl auf Festivals als auch in Ausstellungen gezeigt, wo sie innerhalb umfassenderer Installationen präsentiert werden, die andere Werke, Archivdokumente und umfangreiche öffentliche Programme umfassen. Zur Zeit nimmt er teil am Atelier en Résidence-Programm von Lafayette Anticipations, Paris.

When Rain Clouds Gather bisher:

When Rain Clouds Gather beleuchtet künstlerische Visionen möglicher Zukunftsszenarien, die sich mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit auseinandersetzen. Die vorgestellten Praktiken befassen sich mit den unterschiedlichen Vorstellungen und Reaktionen, die unser Verständnis von einer klimatisch gerechteren Zukunft prägen. Inspiriert vom gleichnamigen Roman von Bessie Head ist dieser eine Geschichte der Hoffnung inmitten der Verzweiflung, die uns dazu anregt, angesichts der erschütternden Realität der Klimakatastrophe mit Sorgfalt und Entschlossenheit über Zukunftsentwürfe nachzudenken.  

Das Programm begann mit den gemeinsamen Arbeiten der renommierten Philosophin Denise Ferreira da Silva und des Künstlers Arjuna Neuman. Das Duo hat in den letzten zehn Jahren an einer Filmreihe mit dem Titel Elemental Cinema gearbeitet, die aus vier Filmen besteht und einen Monat lang in der Kunsthalle Bern zu sehen sein wird.

Jeder Film der Reihe Elemental Cinema ist einem der vier Elemente gewidmet. Die Künstler:innen haben darin einen Ansatz entwickelt, der von der Materie, dem Material und dem Elementaren ausgeht – Aspekte, die in der global dominanten Ordnung des Denkens und Seins nach wie vor vernachlässigt und unterdrückt werden. Die Arbeit von Ferreira da Silva und Neuman untergräbt die von der europäischen kolonialen Moderne geprägten Denkmuster über und in Bezug auf die Erde. Sie zeigen, dass Kategorien und Unterscheidungen, die im Globalen Westen selbstverständlich erscheinen, einer zutiefst ungleichen und rassistischen Welt zugrunde liegen. Die Arbeiten von Neuman und Ferreira da Silva experimentieren damit, die verschiedenen Momente materieller Existenz gleichzeitig zu denken und zu fühlen: das Quantenhafte, das Kosmische, das Organisch-Mechanische, das Historisch-Geologische. Oft von einem bestimmten Ort ausgehend, durchqueren die Arbeiten verschiedene Zeiten und Orte, um die globale Reichweite und historische Tiefe aktueller Fragen der Geopolitik zu beleuchten.