Mögen sich die Fragestellungen, wie Malerei verstanden wird, in den letzten dreissig Jahren mannigfaltig verändert haben, arbeitet Monika Baer mit ungebrochener Lust daran, herauszufinden, wie ihre Bilder den Veränderungen begegnen können. Die Haltung, mit der sie sich in den Prozess des Wandels einmischt, fordert die Betrachtenden offensiv heraus.
Mit diesen Einmischungen hat die Künstlerin seit den neunziger Jahren einen herausragenden Werkkomplex geschaffen, der mit den sich verändernden Bedingungen, den verschiedenen Einigungen darüber, wie das Spiel der Malerei gerade gespielt wird, immer im Austausch stand, dabei aber unabhängig blieb und innerhalb dieser Wandlungen eine stabile Linie entwickelte.
Baer ist eine Mutantin mit Eigenschaften.
Eine davon ist, dass ein Bild selten alleine kommt, sondern Teil eines Ensembles ist. Obwohl sie voll auf das Einzelwerk setzt, wird eine monolithische Heroik unterlaufen. Im Prozess geht Baer Verdichtungsmöglichkeiten so lange nach, bis der Gegenstand für sie erstmal ausgeschöpft ist. Damit konfrontiert sie sich mit der Herausforderung, zwischen Einzelbild und Werkgruppe die Spannung aufrechtzuerhalten. Baer gelingt dieser Spagat über die pointierte Inszenierung von Blickfängern, Attraktoren, die sich innerhalb einer Folge von Bild zu Bild verändern.
Die Motive, denen sie den Auftritt bereitet, sind durchaus gewöhnlich – Schlüssellöcher, Geldscheine, Bäume, Streichhölzer – manche können in ihren eingeführten Bedeutungen fast schon abgegriffen wirken. Doch Baers malerischer Umsetzung gelingt es, das scheinbar Verbrauchte vollkommen neu zu beleben. Es gelingt ihr, weil sie den gemalten Gegenstand so spezifisch auffasst, ihn nicht Zeichen oder Symbol werden lässt und damit zu einer allgemeinen Aussage kommt, sondern es malerisch so weit treibt, dass das Motiv das Dargestellte förmlich verkörpert. Zugleich bleibt dem Gegenstand immer ein Rest seiner vielleicht auch banalen Aura, der wiederum Raum für Assoziationen öffnet. Es entsteht ein spannungsreicher Widerspruch zwischen spezifischen Motiven und dem Eindruck, dass es am Ende doch nicht um die Kette, das Mauerwerk oder den Busen an sich geht. In dieser Lücke, dem Tanz zwischen Buchstäblichkeit, Gegenstand und Abstraktion, öffnet sich ein Austausch mit den ihr Zusehenden.
Das Streichholz am Rhein ist auch ein Geschoss? Obwohl die Bilder eine Klarheit ausstrahlen, ist wenig eindeutig. Manche Motive treten direkt und scharf auf, andere verschwinden fast im Gefüge. Die Bewegungen zwischen Gegensätzlichkeiten gehören zu den Grundzügen ihrer Bilder. Eklatant zeigt sich das in der malerischen Annäherung, wenn formale Strenge aus dem Farbnebel tritt. Das Malerische – ein Farbnebel oder ein Pinselstrich – sind bei Baer auch Motiv, sie bilden die Palette, das Vokabular, das die Künstlerin über all die Zeit ihres Schaffens fortentwickelt. Die Motive dieses Vokabulars formen sich im gelebten Leben, was sich in ihren Bildern aber eher distanziert zeigt, auf jeden Fall gibt es keine Momente der Befindlichkeit.
Überhaupt wird in diesen Bildern mit ihrer manchmal fast aggressiven Ausstrahlung nichts verklärt.
Ich schreibe diese Sätze, während ich vor einem Bild von Baer sitze, und als ich vom Bildschirm wieder auf das Bild blicke, glaube ich ein berauschtes Haiku zu erkennen. Und dann frage ich mich, malt da vielleicht doch eine poetische Konzept-Künstlerin, die immer besser darin geworden ist, ihr wahres Gesicht hinter Masken zu verbergen?
Die Antwort lautet, nein. Aber der Eindruck, sie spiele eine andere, ist ein großartiger Coup, um die Malerei weiterzutreiben.
Die Ausstellung Am Rhein von Monika Baer ist ein weiterer Höhepunkt in einer der programmatischen Linien der Kunsthalle Bern der letzten Jahre, die sich den Möglichkeiten zeitgenössischer Malerei widmet. Am Rhein versammelt die aktuellsten Bilder einer neu begonnen Werkgruppe und bringt sie mit ausgewählten, teilweise wenig gezeigten Bildern in neue Konstellationen.
Kuratiert von Valérie Knoll.
Veranstaltungen
- Freitag, 15. Oktober 2021, 18–21 Uhr
Ausstellungseröffnung
MONIKA BAER Am Rhein - Samstag, 16. Oktober 2021, 14 Uhr
Rundgang durch die Ausstellung mit Monika Baer und Valérie Knoll (Direktorin, Kunsthalle Bern) - Dienstag, 19. Oktober 2021, 12.30–14 Uhr
Mitglieder der Kunsthalle Bern kochen für Sie: Ausstellungsbesuch mit Mittagessen! - Donnerstag, 11. November 2021, 19 Uhr
Rundgang durch die Ausstellung im Dialog mit Patrick Schwengeler (Psychoanalytiker, Bern) - Dienstag, 30. November 2021, 19 Uhr
Étude 25 - Mittwoch, 1. Dezember 2021, 10 Uhr
Freche Fragen – Rundgang durch die Ausstellung - 7. – 12. Dezember 2021
Hör mal – Freche Fragen
Ein auditiver Rungang. - Sonntag, 12. Dezember 2021, 14 Uhr
Short Cut | 30-minütiger Rundgang durch die Ausstellung