Die Kunst von Marc Camille Chaimowicz steckt voller Zwischentöne. Sie pendelt im Konkreten, wirkt aber zugleich abstrakt, gar entrückt. Gefühlvoll, aber trotzdem kühl. Intim und zugleich fremd. Seine Kunst ist fröhlich und melancholisch. Geschmackvoll, manchmal geradezu künstlich, dabei einfach.
Selbst die Grenzlinien zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum zeigen sich als weiche Schattierungen. Autobiographisch oder authentisch ist seine Kunst jedoch nicht. Wie man sich im Leben einrichtet, wie die Räume eingekleidet werden, bleibt ein Stück weit Konstruktion und Metapher. Die eigene Einrichtung vermag – wie das, was man am Körper trägt – Stabilität zu verleihen, dabei ist sie immer auch Bühne und Kostüm im Drehbuch des Lebens. Chaimowicz reduziert sich nicht auf die Welten des Privaten, es findet fortwährend ein Bezug zum öffentlichen Leben statt. Handlungen und Dinge gehen über in den öffentlichen Raum oder öffnen sich als Serienprodukt für viele.
Seine Ausstellung in der Kunsthalle Bern umfasst Arbeiten von den 1970er Jahren bis heute. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf selten gezeigten Arbeiten und Werkkörpern, die überhaupt noch nie zusammen präsentiert wurden. So wird auch eine grosse Auswahl der Briefe erstmals zugänglich, die Chaimowicz seit den 1970er Jahren in unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen geschrieben hat. In ihrer poetischen Art zeichnet sich ein weiteres Charakteristikum des Werkes von Chaimowicz ab: die Kraft der Auslassung, die suggestive Vorstellungsräume entstehen und das Unabgeschlossene wirken lässt.
Ein Arrangement widmet sich dem privaten Wohnhaus des Architekten Roger Diener und seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Maryam Diener. Chaimowicz hat ihr Anwesen in der Nähe von Basel mit Böden, Lampen, Kacheln und Fassadenmalerei zu einem Gesamtkunstwerk eingerichtet.
Neben eigenen Werken zeigt Chaimowicz in seiner Ausstellung Arbeiten von anderen Künstler*innen: Eine Fotografie des Berner Fotografen Balthasar Burkhard (1944–2010), mit dem Chaimowicz eine langjährige Freundschaft verband. Ausserdem werden Zeichnungen und Collagen von Nadia Wallis (*1967, lebt in London), Nancy Brooks Brody (*1962, lebt in New York) und eine Installation von Andréa Sparta (*1996, lebt in Dijon) zu sehen sein.
Die eleganten Räume der Kunsthalle Bern, mit ihrer Mischung aus der vom Geist der Moderne geprägten, distanzierten Ausstellungsarchitekur und dem Flair grossbürgerlicher Wohnungen einer vergangenen Zeit, sind wie gemacht für Marc Camille Chaimowicz. In seinem Schaffen entwirft er eine Poetik des Interieurs, die sich als leichtfüssige Choreographie in den Raum entfaltet. Es handelt sich um die Bildwerdung eines ganz bestimmten Stilempfindens, um Atmosphären, die über die sensible Verformung der Gestalt der Dinge und ihr Zusammenspiel im Raum wach werden. Chaimoiwcz’ Inszenierungen zeichnen Portraits von Lebenswelten und Lebensweisen. Sie sind durchwirkt von literarischen, theatralen und malerischen Bezügen und rufen durch Andeutungen weitere Welten auf. Manche Arrangements erscheinen wie Stillleben oder Bühnensituationen, in denen man sich eine literarische Figur wie Emma Bovary vorstellen kann. Die Elemente des Interieurs sind in den Räumen oft weit auseinandergezogen. Gleichzeitig gaukeln manche der Objekte vor, sie könnten im häuslichen Bereich Gebrauch finden. Als Besucher*in bewegt man sich ein wenig wie in einem Traum, in dem Dinge vertraut und gleichzeitig fremd erscheinen. Chaimowicz’ visuelle Sprache birgt manchmal einen Hauch Nostalgie, sie ist aber im selben Moment keiner Zeit zuzuordnen. Sie fällt aus der Zeit auf eine Ebene der Zeitlosigkeit, wodurch sie immer wieder jüngere Generationen in ihren Bann zieht.
Bild: Marc Camille Chaimowicz, Your Place or Mine…, Installationsansicht, The Jewish Museum, New York, 2018. Foto: Jason Mandella. Courtesy Marc Camille Chaimowicz, Cabinet, London & Andrew Kreps Gallery, New York
Marc Camille Chaimowicz und die Kunsthalle Bern möchten sich herzlich bedanken bei Atelier5 Architekten (Bern), Jörg Baumann (Langenthal), Nancy Brooks Brody (New York), Cabinet Gallery (London), Anna Clifford (London), Roger Diener (Basel), Diener & Diener Architekten (Basel), teo jakob (Bern), Migros Museum für Gegenwartskunst (Zürich), Le Consortium (Dijon), Walter Mair (Basel), Josef Dalle Nogare (Bolzano), Galerie Neu (Berlin), Andréa Sparta (Dijon), Swiss Re Next (Zürich), Nadia Wallis (London) und Jochen Weber (Hamburg).
Veranstaltungen
- Freitag, 21. Februar 2020, 18–21 Uhr
Eröffnung: Marc Camille Chaimowicz, Dear Valérie… - Sonntag, 23. Februar 2020, 14 Uhr
Öffentliche Führung - Dienstag, 3. März 2020, 12.30–14 Uhr
Führung mit Mittagessen
MUSSTE LEIDER ABGESAGT WERDEN
mit Antonia Erni (www.diekoechin.ch)
- Sonntag, 14. Juni 2020, 14 Uhr
Öffentliche Führung - Dienstag, 23. Juni 2020, 12.30–14 Uhr
Führung mit Mittagessen unter freiem Himmel - Dienstag, 18. August 2020, 12.30–14 Uhr
Vereinsküche – Ausstellungsbesuch mit Mittagessen in den Ausstellungsräumen
Mitglieder des Vereins Kunsthalle Bern kochen für Sie!