Die Arbeiten des mexikanischen Künstlers Stefan Brüggemann (*1975) suchen die Polemik. Nicht eine Polemik der Sprache, wie es die zahlreichen Textarbeiten vermuten liessen, sondern vielmehr der Bilder. Brüggemann interessiert sich für ‘Words That Become Pictures’(Wörter, die zu Bildern werden) und ‘Pictures That Become Words’(Bilder, die zu Wörtern werden), wie er es in einer seiner Arbeiten formuliert. Dergestalt hinterfragt er die Idee einer Übertragung oder Spiegelung von Information. Sprache wird zu einem Mittel, Ereignisse zu erinnern, reflektieren und rekonstruieren. Brüggemanns lakonische Bildzeichen funktionieren als ein Memorial für die Notwendigkeit, die Sprache neu zu beleben. Sie erschaffen für den Betrachter imaginäre Räume oder Erfahrungen, bestehend aus Worten. Diese Räume entstehen durch den individuellen Leseakt und werden – trotz der Vertrautheit der Aussage – mit jeder Betrachtung neu erschaffen. Tatsächlich erlaubt gerade die einfache Verstehbarkeit des Textes dem Betrachter, eine eigene Erfahrung zu formulieren – da der Künstler selber keine Ambiguität nahe legt. Obschon es sich um Worte Brüggemanns handelt, werden die daraus entstehenden Bilder nicht durch den Künstler kontrolliert; vielmehr durch den Betrachter im Akt des Wahrnehmens, Erinnerns und Neuerschaffens. Für seine Ausstellung in der Kunsthalle Bern entwirft Brüggemann eine grosse, begehbare „Black Box“ inmitten der Präsentation von ausgewählten Wandtexten seines umfangreichen Ertrags des letzten Jahrzehnts. Diese Black Box besteht „grundsätzlich als Output ohne Input“, wie Brüggemann feststellt. Dennoch ist sie etwas – und nicht nichts, trotz aller Bemühungen das Gegenteil zu versichern. Sie ist aufreibend hartnäckig, nonkonform und selbstvernichtend in ihrer Aussage und Wirkung.
Die Ausstellung zeigt ausserdem zwei Werke einer neueren Serie mit dem Titel „Obliteration“. Der gekritzelte Neontext bildet hierbei eine Analogie zum Schreiben und Nichtschreiben. Ausgehend von der Ablehnung des Wortes und des Schreibaktes führt „Obliteration“ zu einer Idee der Verweigerung als eine absolute und autonome Macht. Der Begriff des „Nein“ wird zu einer leeren, mächtigen und unabhängigen Quelle, welche in ihren verschiedenen Umsetzungen Positionen wie Verweigerung, Widerspruch und Abwesenheit artikuliert.
Eine von Brüggemanns grundsätzlichen Strategien besteht darin, eine Sensibilisierung für Pop in die Strategien des Konzeptualismus einzuführen. Mit ihrer impliziten Verweigerung von Sprache repräsentieren diese Neonlichter sowohl die Suche nach einem neuen Ausgangspunkt als gleichzeitig auch dessen Unmöglichkeit. Aufgeladen mit der destruktiven Veranlagung des Punk erzeugt die „Obliteration Series“ eine doppelte Verneinung.
Im Kino Cinématte präsentiert Brüggemann mit A Production of Nothing (2006), einen Kurzfilm, der sowohl den Zustand von Produktivität und Un-Produktivität als auch die Bedeutung einer Aktivität des Nichtstuns mit ihren unzähligen Möglichkeiten untersucht. Die Arbeit vermittelt eine irritierende Zweipoligkeit zwischen zu Sehendem und zu Hörendem. Die fast schon widersprüchliche Beziehung zwischen der starken filmischen Symbolik und den zutiefst konzeptuellen und reflexiven Gedankengängen, welche die Stimme des Sprechers darlegt, erscheint wie die Überlagerung verschiedener Ebenen im selben Objekt. Der Film präsentiert einerseits Szenen aus dem Bereich der Massenkultur von Videoclips oder Werbefilmen – und entwickelt anderseits stark philosophische Inhalte, welche in Bezug stehen könnten zu Derridas dekonstruktiven Ideen des Nichts. Der Soundtrack des in Barcelona lebenden DJ’s Cristian Vogel entstand durch die Aufzeichnung des „White Noise“-Geräusches, welches entsteht, wenn kein Instrument ans Mischpult angeschlossen ist. Der gleiche Klang ist auch im Innern der Blackbox zu hören, die Brüggemann in seiner Ausstellung in der Kunsthalle Bern präsentiert.
Diesen gleichzeitigen Umgang mit den Elementen von populärer Kultur und intellektueller Reflexion entwickelt Stefan Brüggemann hier für einmal durch den Film, ein für seine Arbeit seltenes Medium, und erforscht dabei Themenbereiche, die in den meisten seiner Werke präsent sind.
Ein Buch zum neueren Schaffen von Stefan Brüggemann, herausgegeben von Nicolas de Oliveira und mit Texten von Chris Kraus, Caomhín Mac Giolla Léith und Michael Bracewell, erscheint bei JRP/Riniger.
Die Ausstellung bildet eine Zusammenarbeit der Kunsthalle Bern mit Frac Bourgogne in Dijon und wird unterstützt durch die Mexikanische Botschaft in Bern, den Kulturverein Cinématte Bern und die Galerie Blow de la Barra, London.